Endlich angekommen

Endlich angekommen

Glühende Köpfe bei der Integrationswerkstatt für zugewanderte Kinder und Jugendliche

 

An diesem warmen Mainachmittag kann man die in der Luft liegende Spannung fast mit Händen greifen, als 13 Kinder im Alter von etwa 9 bis 12 Jahren an einem langen, großen Tisch Platz nehmen. Es dauert eine Weile, bis sie sich sortiert haben und auch das letzte Gemurmel verstummt ist. Dann blicken sie konzentriert zum Ende des Tisches, wo sich soeben zwei Betreuerinnen hingesetzt haben. „Wir freuen uns sehr, dass ihr heute alle so zahlreich erschienen seid“, beginnt nun eine der beiden Damen, mit einem herzlichen Lächeln die Kinder zu begrüßen. „In den kommenden Wochen und Monaten werden wir hier gemeinsam lernen und in den Ferien viel erleben“, fährt sie fort. Dabei spricht sie langsam und manchmal etwas übergenau, als hätte sie Sorge, sie würde nicht von allen verstanden. Und so ist es auch. Sogleich meldet sich ein vielleicht gerade 10jähriges Mädchen mit tiefschwarzen, glänzenden Haaren und dunkelbraunen Augen: „Könnten … Sie … das bitte … noch einmal … sagen?“, fragt sie in einem etwas gebrochenen Deutsch. Ihr Name ist Israa. Wie die allermeisten Kinder an diesem Nachmittag kommt sie aus Syrien und geht seit einiger Zeit in eine deutsche Schule. Ihre Eltern haben sie zu diesem Integrationsnachmittag, der von der academy-isc regelmäßig in Hohenstein-Ernstthal und Lichtenstein angeboten wird, angemeldet. Sie erhoffen sich, dass Israa dadurch noch viel schneller und besser lernen kann, als es in der Schule mit dicht gedrängtem Unterrichtsplan und vielen Schülern möglich wäre. „Für uns ist es wichtig, dass wir mit allen Kindern von Anfang an Deutsch sprechen. Auch, wenn es vielleicht manchmal schwierig ist, sich zu verständigen“, erklärt Mandy Weikelt, Projektmitarbeiterin im Projekt Integrationswerkstatt. Sie ist eine der beiden Damen, die an diesem Nachmittag die zugewanderten Kinder betreuen. Unterstützt werden sie dabei von einigen deutschen Schülern und Schülerinnen aus höheren Klassenstufen, die sich bereit erklärt haben, Woche für Woche einige Stunden ihrer Freizeit einzubringen und eine sogenannte Lernpatenschaft zu übernehmen. „Es ist einfach toll zu sehen, wie sehr sich die jungen Menschen für die Integration ihrer jüngeren, ausländischen Mitschüler/innen engagieren“, sagt Birgit Heft, Projektmanagerin der „Integrationswerkstatt“, bevor sie sich wieder einem Jungen zuwendet, der aus Afghanistan stammt und gerade mit einer Mathematikaufgabe kämpft. Behutsam und geduldig erklärt Birgit Heft ihm den Lösungsweg. Dann versucht er es gleich noch einmal mit einer ähnlichen Aufgabe allein. Die academy-isc hat die Integrationsnachmittage für Kinder und Jugendliche ins Leben gerufen, um die vielen Kinder zugewanderter Familien dabei zu unterstützen, ihr Lernverhalten sowie ihre Lernleistung zu verbessern und dadurch ihre Bildungschancen und letztlich ihre Integrationsfähigkeit zu erhöhen. „Die sächsischen Schulen leisten schon eine Menge“, so Mandy Weikelt „doch das Bildungsniveau der zugewanderten Kinder untereinander, aber vor allem im Vergleich zu ihren deutschen Mitschüler/inne/n, ist teilweise so gravierend unterschiedlich, dass viele weitere Unterstützung benötigen, um nicht auf der Strecke zu bleiben“. Neben der Lernunterstützung sind außerdem für die Ferien spannende Veranstaltungen und Aktionen zusammen mit deutschen Kindern geplant, die dazu beitragen sollen, interkulturelle Hürden zu überwinden und damit zusätzlich die Integration zu erleichtern. Über 30 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 7 und 16 Jahren sind zurzeit für die Integrationsnachmittage angemeldet, die in unterschiedlichen Gruppen an 4 Tagen pro Woche durchgeführt werden. Schwerpunkte sind dabei neben der Vermittlung allgemeiner interkultureller Grundlagen vor allem die Fächer Deutsch und Mathematik, in denen erheblicher Förderbedarf besteht. Die Teilnehmer kommen überwiegend aus Syrien, aber auch aus Afghanistan, dem Irak oder dem Iran.

Es ist fast schon unheimlich, wie ruhig und konzentriert die Kinder an diesem Nachmittag arbeiten, haben sie doch schon einen Schultag hinter sich. Man kann spüren, dass sie die Chance, noch mehr und schneller lernen zu können, um in Deutschland eine echte Perspektive zu erhalten, dankbar annehmen. Als Mandy Weikelt schließlich verkündet, dass die Zeit bereits abgelaufen sei und die meisten Eltern schon draußen warten würden, sind viele Kinder noch in ihre Lernhefte vertieft. Manche wollen unbedingt noch eine Aufgabe zu Ende lösen. „Dafür haben wir auch noch nächste Woche Zeit“, sagt nun Birgit Heft. „Wir werden uns ja von nun an einmal pro Woche wiedersehen.“ Es wird jetzt wieder lauter und wuseliger und nach und nach verabschieden sich die Kinder und verlassen das Zimmer. Birgit Heft und Mandy Weikelt blicken ihnen erleichtert und auch ein bisschen stolz hinterher. Sie wissen, dass sie an diesem Nachmittag gemeinsam mit ihren Lernpaten einen kleinen, aber wichtigen Beitrag geleistet haben – für Kinder, die zum Teil Schreckliches erlebt und alles verloren haben, und denen sie von nun an helfen werden, sich für eine bessere Zukunft vorzubereiten und zu wappnen.

Wie es in unserer Integrationswerkstatt weitergeht, werden wir von Zeit zu Zeit an dieser Stelle berichten.

Diese Maßnahme wird mitfnanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes. Im Rahmen des Landesprogramms “Integrative Maßnahmen”.

 

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